Nähmaschine
Er gilt als der verkannte Österreicher schlechthin: der Kufsteiner Schneider Josef Madersperger, der sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Bau von Nähmaschinen beschäftigte und von seiner Umgebung und den Behörden nicht ernst genommen oder gar gefördert wurde. Die Wirklichkeit war natürlich bedeutend komplizierter. An Nähmaschinen wurde in aller Welt seit der Mitte des 18. Jahr- hunderts getüftelt. Schritt für Schritt erst kam es zu erfolgreichen Lösungen. Madersperger hatte sie noch nicht. Seine Modelle hätten nach eingehender Überprüfung durch moderne Technikhistoriker nicht wirklich funktionieren können. In anderen Ländern war man ohnehin viel radikaler. Während Madersperger nicht beachtet wurde, zerstörten in Frankreich, wo Barthélemy Thimonnier 1829/30 die ersten tat- sächlich funktionierenden Nähmaschinen gebaut und damit Uniformen hergestellt hatte, im Jahre 1831 erboste Schneider seine ganze Fabrik.
Die Nähmaschine hat viele Väter. Als eigentlicher Patentinhaber gilt Elias Howe im Jahre 1846. Aber der Name, der bis heute mit Nähmaschinen verbunden geblieben ist, ist Isaac Merrit Singer. Singer war ein Marketing- Genie. Er umwarb die Schneider, die Hausfrauen und die amerikanischen Südstaaten-Farmer, die noch mit Sklaven arbeiteten und für diese billige Kleidung nachfragten. Singer erfand auch die Ratenzahlung. Edward Clark, Singers Partner, entwarf 1856 den Prototyp für alle späteren Ratenzahlungsgeschäfte.
Neben den USA wurde Deutschland zum Land der Nähmaschinenfabriken. In Deutschland gab es etwa 200 davon, in Österreich immerhin um die 40. Auch Oberösterreich hat einen berühmten Nähmaschinenfabrikanten, den aus der Pfarre Hirschbach gebürtigen Johann Jax, der seit 1867 den Handel mit amerikanischen Nähmaschinen betrieb und 1886 eine eigene Nähmaschinen- und Fahrrad- produktion in Linz aufnahm. Jax zeichnete sich nicht nur als eigenwilliger Industriepionier, sondern auch als fortschrittlicher Sozialpolitiker und engagierter Katholik aus. Ein Jahrhundertlang lang waren die Nähmaschinen der Stolz jeder Hausfrau und ein wichtiger Bestandteil der Ausstattung junger Mädchen. Inzwischen sind sie in die Museen gewandert. In den Wohnungen sind sie kaum mehr zu finden. So bietet die große technik- geschichtliche Schau, die derzeit vom Oberösterreichischen Landesmuseum unter dem Motto „Entdecke eine Sammlung“ veranstaltet wird, einen Anlass, viele schöne Exemplare, auch aus der Produktion von Johann Jax, wieder einmal gebührend zu bewundern.
Oberösterreichische Nachrichten, 21. Oktober 2006, 36.